Lesetandems im Deutschunterricht: Ein effektives Lautleseverfahren zur Förderung der Leseflüssigkeit
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Die grossen Bildungsstudien wie der IQB-Bildungstrend, die IGLU-Studie und PISA haben in den letzten Jahren eine zunehmende Verschlechterung der Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler im Bereich „Lesen“ gezeigt. Um auch schwächere Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, sind Methoden zur Förderung der Lesekompetenz wichtig. Lesetandems können dazu beitragen, die Leseflüssigkeit der Kinder zu verbessern. Denn wer flüssig lesen kann, ist besser in der Lage, sich auf den Inhalt des Textes zu konzentrieren und ihn zu verstehen.
In diesem Beitrag werden wir näher auf die Einführung, Durchführung und die zahlreichen Vorteile dieser Methode eingehen.
Was sind Lesetandems?
Das Lesetandem ist ein Lautleseverfahren und eine kooperative Lernmethode, die im Deutschunterricht und in DaZ-Klassen eingesetzt wird, um das Leseverständnis und die Leseflüssigkeit von Schülerinnen und Schülern zu fördern. Kinder, die bereits gut lesen können, und Kinder, die dabei noch Schwierigkeiten haben, arbeiten in Paaren zusammen, um gemeinsam Texte laut zu lesen, zu verstehen und darüber zu diskutieren.
Wo kommt die Methode zum Einsatz?
Das Lesetandem eignet sich v. a. für die Klassenstufen 2 bis 8 und wird im Deutsch- und DaZ-Unterricht eingesetzt. Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, werden vertrauter mit der deutschen Satzmelodie, vergrössern ihren Wortschatz und trainieren die Aussprache.
Wie viel Zeit sollte man einplanen?
- Eine Lesetandem-Phase dauert etwa 15 bis 20 Minuten.
- Damit die Kinder Fortschritte erzielen, sollten drei Trainingsphasen pro Woche stattfinden.
- Das Portal #lesen.bayern empfiehlt, mehrmals im Schuljahr drei- bis fünfwöchige Lesetandem-Blöcke einzuplanen.
Welche Vorteile haben Lesetandems für die Schülerinnen und Schüler?
1. Leseflüssigkeit:
Das Hauptziel von Lesetandems ist eine Verbesserung der Leseflüssigkeit und Lesegeschwindigkeit. Durch das gemeinsame Vorlesen trainieren die Kinder ihre Lesefähigkeit und gewinnen Selbstbewusstsein beim Lesen. Die Wirksamkeit von Lautleseverfahren und speziell dem Lesetandem konnte in Praxisvergleichen bestätigt werden.
2. Leseverständnis:
Da sich die Kinder auch mit dem Inhalt der Texte auseinandersetzen, Wortbedeutungen klären und inhaltliche Fragen diskutieren, wird auch das Leseverstehen trainiert und der Wortschatz erweitert. Darüber hinaus ist flüssiges Lesen eine gute Voraussetzung für ein besseres Leseverständnis. Die Schülerinnen und Schüler lernen auch, Texte zu analysieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und Argumente zu entwickeln.
3. Aktive Beteiligung:
Lesen und Zuhören ist hier nicht alles: Die Kinder müssen sich aktiv beteiligen, Fragen stellen, diskutieren und sich mit den Inhalten auseinandersetzen.
4. Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit:
Beim Lesetandem müssen die Kinder miteinander sprechen, um ihre Fragen, Erfahrungen und Gedanken auszutauschen und effektiv als Team zusammenzuarbeiten, um ihr gemeinsames Ziel zu erreichen. Dadurch werden die sprachlichen und kooperativen Fähigkeiten gestärkt.
5. Motivation:
Die Schülerinnen und Schüler machen innerhalb der Lesetandem-Durchgänge schnell Fortschritte. Das motiviert zum Weitermachen und gibt Selbstbewusstsein!
Wie funktionieren Lesetandems?
Bevor es losgeht, wählen Sie geeignete, kurze Texte (Länge abhängig vom Alter: 200 bis 300 Wörter) für die Kinder aus, die ihrem Sprachniveau und den Interessen der Schülerinnen und Schüler entsprechen. Es sollten leicht verständliche Texte mit sehr wenigen unbekannten Wörtern sein.
1. Die Auswahl der Teams
Die Teams bestehen aus einem lesestärkeren (Lesetrainerin/Lesetrainer) und einem leseschwächeren Kind (Lesesportlerin/Lesesportler).
Um zu prüfen, welche Schülerinnen und Schüler schon flüssiger lesen, können Sie ihnen einen Lesetest als Aufgabe geben: Sie lesen dabei einen Text zu Hause einer Person laut vor. Diese Person überprüft, ob das Gelesene verständlich ist und stoppt nach genau einer Minute die Zeit. An der Stelle zeichnen die Kinder eine Markierung in den Text. Die Hälfte der Klasse, die mit der grösseren Zahl an gelesenen Wörtern, wird Trainerin bzw. Trainer, die anderen werden Sportlerinnen und Sportler.
Damit der Abstand in der Lesekompetenz nicht zu gross ist, was auf beiden Seiten zu Frust führen kann, können Sie den besten Trainer/die beste Trainerin mit der besten Sportlerin/dem besten Sportler zusammenbringen. Und von dort die Reihe entsprechend fortführen.
- Der Coach hat die Aufgabe, Fehler freundlich zu korrigieren und Fortschritte zu loben.
- Der Sportler bzw. die Sportlerin sollte bereit sein, Korrekturen anzunehmen, versuchen, Fehler selbstständig zu verbessern und alleine zu lesen, wenn er oder sie sich sicher genug fühlt.
Dieser soziale Aspekt und das Verständnis, ein Team zu sein, ist wichtig und sollte vorher mit den Kindern besprochen werden. Es kann hilfreich sein, gemeinsam mit der Klasse Tipps zu erarbeiten, wie Kritik geübt und angenommen werden sollte. Diese können Sie auf einem Plakat sammeln und sichtbar im Klassenzimmer aufhängen.
Wir haben Karten zum Ausdrucken für die Lesesportler und Lesesportlerinnen und Lesetrainer und Lesetrainerinnen in Ihrer Klasse vorbereitet:
2. Der Lesevorgang
Wenn sich die Lesetandems gefunden haben und die Texte verteilt sind, kann es losgehen:
Die Kinder lesen den Text gemeinsam halblaut vor. Dabei führt die Lesetrainerin/der Lesetrainer den Finger im Text zur Orientierung für die Lesesportlerin/den Lesesportler mit.
Bemerkt die Trainerin/der Trainer einen Lesefehler, wird das Lesen unterbrochen. Die Sportlerin/der Sportler bekommt Zeit, den Fehler selbst zu korrigieren. Falls sie/er das nicht kann, korrigiert der Trainer/die Trainerin sie/ihn und es geht weiter im Text.
Die Kinder können die fehlerhaften Wörter in jedem Durchgang unterstreichen. So sehen sie, ob sich Fehler wiederholen.
Nach dem ersten Durchgang können sich die Schülerinnen und Schüler über den Inhalt des Gelesenen austauschen, Unklarheiten und unbekannte Wörter besprechen und offene Fragen (z. B. zur Wortbedeutung, Betonung, Aussprache) klären.
Der Lesevorgang wird nun mehrmals wiederholt. Üblich sind vier Wiederholungen. Wenn noch Unsicherheiten bestehen, kann der Text aber noch häufiger gelesen werden. Ist die Sportlerin/der Sportler sicher, kann sie/er seinem Partner/seiner Partnerin ein Zeichen geben, dass sie/er gerne alleine weiterlesen möchte. Der Trainer/die Trainerin führt aber weiterhin den Finger im Text mit und korrigiert ggf. Fehler.
Nach dem letzten Durchgang loben die Trainerinnen und Trainer ihre Sportlerinnen und Sportler und geben ihnen nochmals Rückmeldung, wie ihr Eindruck war. Am besten bleiben die Teams zusammen. Dadurch werden für die lesestarken Schülerinnen und Schüler auch Verbesserungen über einen längeren Zeitraum sichtbar.
Schwächere Leserinnen und Leser trainieren durch das Lesevorbild Betonungen, die Gliederung von Sätzen mit Sprechpausen und lernen auch häufiger auftretende Buchstabenkombinationen und Wörter schneller zu dekodieren. Dadurch erweitert sich der sogenannte Sichtwortschatz der Kinder.
3. Nachbereitung und Feedback
Während der Lesephasen stehen Sie als Lehrerinnen und Lehrer der Klasse für Fragen zur Verfügung, die nicht innerhalb der Teams geklärt werden können. Nach Abschluss der Einheit können Sie und die Schülerinnen und Schüler bei Bedarf Feedback geben, Kritik üben und Fragen stellen.
Am Ende eines Blocks können Sie den Lesegeschwindigkeitstest wiederholen, den Sie bereits zur Einteilung der Teams durchgeführt haben. So können Sie überprüfen, ob sich die Kinder verbessert haben und ihnen ein Feedback geben. Danach können sich auch die Teamzusammenstellungen ändern. Ehemalige Sportlerinnen und Sportler können so auch selbst Coaches werden.
Quellen:
- Cornelia Rosebrock/Andreas Gold/Daniel Nix/Carola Rieckmann: Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe, Klett/Kallmeyer, 7. Aufl. 2021.
- BISS – Bildung durch Sprache und Schrift: Gemeinsam fit im Lesen. Lautlese-Tandems im Schulunterricht, 2017.
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