
Schulfach Glück: Ein sinnvoller Ansatz für mehr Wohlbefinden im Klassenzimmer?

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Glück als Schulfach – eine sinnvolle Ergänzung oder ein weiterer Trend und unnötiger Zusatzunterricht? Angesichts steigender psychischer Belastungen bei Schülerinnen und Schülern – laut dem Deutschen Schulbarometer fühlen sich 21 % der 8- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen psychisch belastet – stellt sich die Frage, ob Schulen hier positiv einwirken können, und ob Glücksunterricht eine Option dabei ist.
Doch was genau ist Glücksunterricht und was wird dort vermittelt? Welche Vorteile gibt es, und welche Kritikpunkte werden geäussert?
Was ist Glücksunterricht?
Glücksunterricht soll Kindern helfen, sich selbst besser kennenzulernen, Stärken zu erkennen und einen positiven Umgang mit Stress und Herausforderungen zu entwickeln. Dabei spielen Achtsamkeit, Resilienz und die Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen eine Rolle.
Die Idee des Glücksunterrichts geht unter anderem auf den Pädagogen Ernst Fritz-Schubert zurück, der das Schulfach Glück 2007 an einer Schule in Heidelberg einführte. Sein Ansatz basiert auf Erkenntnissen der Positiven Psychologie und verfolgt das Ziel, Schülerinnen und Schülern Werkzeuge an die Hand zu geben, um Lebenskompetenz, Wohlbefinden und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.
Seitdem wurde das Fach an Schulen in verschiedenen Bundesländern erprobt – oft als
- Wahlpflichtfach in der Sekundarstufe,
- im Rahmen einer AG oder
- integriert in den Ethik- oder Religionsunterricht.
Das Schulfach Glück ist bisher allerdings kein Bestandteil des offiziellen Fächerkanons der Kultusministerien.
Auch wissenschaftlich wird das Thema diskutiert. Bei einem Projekt, das der Glücksforscher Tobias Rahm (TU Braunschweig) an Primarschulen in Braunschweig durchgeführt hat, zeigte sich, dass Kinder vor allem von einem Rückgang negativer Emotionen profitierten. Die messbaren Ergebnisse waren jedoch begrenzt. Doch Eltern, Lehrkräfte und Kinder berichteten von einer positiven Wirkung auf das Sozialverhalten und das Klassenklima.
Was wird im Schulfach Glück unterrichtet?
Typische Themen im Glücksunterricht sind
- Selbstwahrnehmung und Persönlichkeitsentwicklung
- Eigene Stärken und Talente entdecken
- Selbstbewusstsein und Selbstakzeptanz stärken
- Persönliche Werte und Ziele erkunden
- Emotionale Intelligenz
- Lernen mit den eigenen Gefühlen umzugehen
- Empathie, die Gefühle anderer verstehen
- Stressbewältigung und Entspannung
- Strategien und Techniken zur Stressbewältigung
- Entspannungsübungen, Atemtechniken, Meditation, Yoga
- Zeitmanagement
- Soziale Kompetenzen und Beziehungen
- Kommunikation und Konfliktbewältigungsstrategien
- Beziehungen aufbauen und pflegen
- Hilfsbereitschaft und soziales Engagement
- Sinnfindung und Lebensgestaltung
- Erkennen, was persönlich glücklich macht
- Zukunftsvisionen und Ziele entwickeln
- Verantwortung übernehmen
Kleine Praxisideen und Unterrichtsmaterial zum Thema „Glück“
Um Glück fundiert unterrichten zu können, bedarf es einer guten Weiterbildung. Es spricht aber nichts dagegen, kleine Elemente aus den oben genannten Bereichen in den Unterricht zu integrieren. Um es zu testen, vielleicht zeitlich begrenzt im Rahmen einer „Glückswoche“. Hier ein paar Ideen dafür:
Ein Glas voller Glück
Mit dem „Glas voller Glück“ können Sie Schülerinnen und Schüler für positive Erlebnisse sensibilisieren. Es hilft dabei, den Blick auf das Gute im (Schul-)Alltag zu richten und stärkt das Klassenklima.
So funktioniert‘s
- Ein grosses Glas oder eine Box wird im Klassenzimmer aufgestellt. Daneben liegen kleine Zettel und Stifte bereit.
- Immer, wenn eine Schülerin oder ein Schüler ein positives Erlebnis während eines Schultags hat, schreibt sie oder er es auf. Das kann ein schöner Moment, eine freundliche Geste oder etwas sein, das einfach glücklich gemacht hat.
- Die Zettel werden gefaltet und ins Glas geworfen. Die Namen müssen nicht genannt werden – das bleibt freiwillig.
- In regelmässigen Abständen (z. B. einmal im Monat, am Ende eines Schulhalbjahres oder wenn Sie merken, dass die Klasse aufgemuntert werden muss) ziehen Sie einige Zettel zufällig und lesen sie vor.
- Die Klasse kann gemeinsam über die Erlebnisse sprechen. Das „Glas voller Glück“ zeigt, dass Glück oft in kleinen Momenten steckt – und dass es sich lohnt, diese bewusst wahrzunehmen und zu teilen.
Gefühlstagebuch
Ein Gefühlstagebuch hilft den Schülerinnen und Schülern, ihre Emotionen bewusster wahrzunehmen, auszudrücken und zu reflektieren. Ideal ist es, wenn das Gefühlstagebuch im Anschluss an eine Unterrichtseinheit zum Thema „Gefühle“ gestartet wird.
So funktioniert‘s
- Die Schülerinnen und Schüler benötigen ein Notizbuch oder ein Schulheft.
Für den Start hilft es den Kindern, einige vorgegebene Punkte zu haben. Dafür können Sie unsere Vorlage verwenden:
- Die Kinder schreiben oder malen auf, wie sie sich fühlen – ganz ohne Zwang und Bewertung. Planen Sie dafür feste Zeiten im Stundenplan ein. Dies kann täglich am Ende des Schultages oder wöchentlich erfolgen. Dabei üben sie, ihre Emotionen zu erkennen und diese auszudrücken.
- In Gesprächsrunden können die Kinder freiwillig ihre Einträge teilen. Es wird betont, dass alle Gefühle erlaubt sind und es normal ist, verschiedene Emotionen zu haben. Dies stärkt das Verständnis füreinander und zeigt Gemeinsamkeiten zwischen den Schülerinnen und Schülern.
- Am Ende der Woche oder des Monats kann ein Rückblick erfolgen:
- Welche Gefühle hatte ich oft?
- Was hat mir besonders gutgetan?
- Was kann ich tun, wenn ich mich schlecht fühle?
Kinder erkennen Muster und lernen, besser mit ihren Emotionen umzugehen.
Glück im Kreis
„Glück im Kreis“ soll die Schülerinnen und Schüler dazu anregen, positive Erlebnisse zu reflektieren, wertschätzend miteinander umzugehen und ihre Wahrnehmung für Glücksmomente zu schärfen.
So funktioniert‘s
- Die Klasse bildet einen Stuhlkreis oder setzt sich im Kreis auf den Boden. Eine gemütliche und ruhige Atmosphäre hilft den Kindern, sich zu öffnen.
- Reihum dürfen die Kinder erzählen, was sie in letzter Zeit glücklich gemacht hat. Das kann eine kleine Alltagssituation, eine Geste von jemandem oder ein persönlicher Erfolg sein.
Wenn Sie möchten, können Sie einen Glücks-Gegenstand (z. B. das Klassentier oder einen besonderen Stein) herumreichen lassen. Wer ihn hält, darf von seinen Glücksmomenten erzählen. - Alle Glücksmomente werden angehört, ohne sie zu bewerten. Niemand muss etwas erzählen, wenn er oder sie nicht möchte.
- Glückssammler-Variante: Die Kinder schreiben die Glücksmomente auf kleine Zettel und werfen sie in ein persönliches „Glücks-Glas“. So entsteht über die Zeit eine Sammlung positiver Erinnerungen, die sie sich bei Bedarf ansehen können.
Im Beitrag „Werteerziehung in der Primarschule“ finden Sie eine Vorlage zum Download für die „Warme Dusche“. Eingesetzt als kleines Ritual, stärkt die Idee das soziale Miteinander in der Klasse und bringt den Kindern einen wertschätzenden Umgang miteinander nahe.
Vorteile des Glücksunterrichts an Schulen
-
Förderung des Wohlbefindens
Schülerinnen und Schüler lernen Strategien zur Stressbewältigung, Achtsamkeit und positiven Selbstwahrnehmung, was das allgemeine Wohlbefinden steigern kann. -
Verbesserung der Lernmotivation
Wer sich wohlfühlt, lernt besser: Positive Emotionen fördern die Konzentration und Aufnahmefähigkeit. -
Stärkung sozialer Kompetenzen und Verbesserung des Klassenklimas
Die Förderung von Empathie, Teamfähigkeit, wertschätzender Kommunikation und Konfliktlösungsstrategien können sich positiv auf das Klassenklima auswirken. -
Resilienz und Stressbewältigung
Durch die Vermittlung von Achtsamkeitsübungen, Meditation und Reflexionsübungen sowie weiterer Strategien zur Förderung der emotionalen Stabilität, lernen die Schülerinnen und Schüler mit Herausforderungen und Rückschlägen umzugehen. -
Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung
Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihren individuellen Stärken und Werten auseinander, was ein positives Selbstbild und eine optimistische Lebenshaltung fördern kann.
Kritik und Herausforderungen
-
Fehlen wissenschaftlicher Evidenz
Zwar gibt es positive Evaluationen, jedoch fehlen umfassende empirische Belege zu den nachhaltigen Effekten. -
Gefahr, Glück als belastende Selbstoptimierung zu betrachten
Es könnte der Eindruck entstehen, dass man allein durch mehr Anstrengung glücklich werden kann. Diese Sichtweise blendet strukturelle Probleme wie soziale Ungleichheit und Leistungsdruck aus und führt dazu, dass Glück als weiterer Aspekt der Selbstoptimierung wahrgenommen wird. Dies kann zusätzlichen Stress und Belastung erzeugen, anstatt Wohlbefinden zu fördern.
Statt Glück als rein individuelles Ziel zu vermitteln, sollten deshalb auch soziale und strukturelle Faktoren thematisiert werden. -
Zusätzlicher Zeitaufwand für Schulen und Lehrkräfte
Lehrkräfte müssen sich fortbilden, was zusätzliche Ressourcen erfordert. Die Umsetzung kann mit organisatorischem Aufwand verbunden sein, insbesondere bei bereits vollen Stundenplänen. -
Unterschiedliche Qualität der Ausbildung
Nicht alle Fortbildungen und Konzepte zum Glücksunterricht basieren auf wissenschaftlich fundierten Methoden. Die Qualität der Umsetzung hängt stark von der Ausbildung der Lehrkräfte ab. Eine Aufnahme in die Lehr- und Bildungspläne könnte dazu beitragen, einheitliche Standards zu schaffen und die Qualität des Unterrichts zu sichern.
Wie wird man Glückslehrer bzw. Glückslehrerin?
Um Glücksunterricht an Schulen geben zu können, gibt es spezielle Ausbildungen und Fortbildungen für Pädagoginnen und Pädagogen.
1. Fortbildung zum Glückslehrer bzw. zur Glückslehrerin nach Ernst Fritz-Schubert
- Entwickelt vom Fritz-Schubert-Institut für Persönlichkeitsentwicklung
- Umfasst theoretische Grundlagen (positive Psychologie, Resilienzforschung, Glücksforschung) und praktische Methoden
- Fortbildungen für Lehrinnen und Lehrer sowie andere pädagogische Fachkräfte an verschiedenen Standorten
- Nach Abschluss: Zertifizierung als Glückslehrer bzw. Glückslehrerin
2. Ausbildung u.a. für Lehramtsstudentinnen und -studenten im Schulfach Glück
- Ebenfalls auf Basis der Erkenntnisse von Ernst Fritz-Schubert
- Informationen auf der Seite „Create your Life“
- Für Lehramtsstudentinnen und -studenten und ausgebildete Lehrkräfte
- Die Ausbildung umfasst 144 Stunden in zwölf monatlichen Modulen. Nach vier Monaten folgt ein einjähriger wöchentlicher Glücksunterricht mit intensiver Begleitung an einer von über 100 Schulen, die am Pilotprojekt „Glück“ teilnehmen.
3. Workshops & Weiterbildungen
- Verschiedene Bildungsträger bieten Weiterbildungen zu Achtsamkeit, Resilienz und Wohlbefinden für Lehrkräfte an.
- Die Inhalte sind oft praxisorientiert, um sie direkt im Unterricht einsetzen zu können.
4. Integration in bestehende Fächer
- Lehrerinnen und Lehrer können Elemente des Glücksunterrichts in Ethik, Religion oder Klassenleiterstunden einbinden.
- Auch ohne Zertifizierung können Lehrkräfte mit passenden Unterrichtsmaterialien und Methoden arbeiten.
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